Reich sein
Die Mutter weckt Samuel. Er träumte gerade davon, reich und
dadurch frei zu sein. Die beschwichtigenden Gedanken in ihm wollen ihn
dazu ermutigen, mit seinem Erbteil diesen Traum zu verwirklichen. Die unruhigen
Gedanken wissen aber, dass dies auch innere Trennung von der Familie bedeutet,
und dass man Freiheit nicht mit Geld kaufen kann.
Frei sein
Samuel erbittet vom Vater sein Erbteil. Es geht ihm nicht so
sehr ums Geld, sondern er will von seinem älteren Bruder frei und unabhängig
sein. Der Vater hingegen spricht von Beisammensein und entdeckt in Samuels
Absichten das goldene Kalb: Es entstand durch Anhäufung vom Schmuck der
Israeliten (Ex 32,1-4). Genau dieser Schmuck war aber ursprünglich ein von Gott
an das ganze Volk verteiltes Geschenk (Ex 12,35-36). Gemeinsamer Reichtum kann
also sogar von Gott geschenkt sein und ist an sich nichts Schlechtes - schlecht
ist, wenn ihn wer zusammenrafft.
Wie Gott sein
Samuel genießt seine Freiheit, die er sich mit Geld
erworben hat. Anscheinend gewinnt er dadurch nicht nur unbegrenzte neue
Möglichkeiten, sondern auch neue Freunde. Durch Spenden erscheint er sogar
fromm. Alles vom Geld abhängig zu machen bedeutet aber auch, selber davon
abhängig zu werden. Die unruhigen Gedanken werfen Samuel vor, dies nicht zu
bedenken.
Ein Detail am Rande: Im Gleichnis Jesu ist hier von Dirnen keine
Rede. Es mag vorgekommen sein - und in diesem musikalischen Gleichnis kommt es
auch einmal vor -, aber das ganze Geld nur mit Dirnen durchgebracht zu haben ist
in Jesu Erzählung erst später des Bruders Vorurteil und Vorwurf.
Ohnmacht
Samuel erkennt: Die Freunde sind nicht echt und sein
angehäufter Reichtum führt in Wirklichkeit zur Isolation. Doch auch das
offizielle kirchliche Gesetz (codex iuris canonici) ist keine Handreichung für
Menschen, die sich bekehren müssen. Samuels Reichtum wird ihm zur inneren Armut,
der wirklich freie Herr zum Konkurrenten. Vor dessen Allmacht - auch bezüglich
Freiheit - ist Samuel ohnmächtig.
The Dream
Samuels Bruder erscheint ihm im visionären Traum. "Tell me, as you are an elder, what would you do in my place?" Was würdest du an meiner Stelle nun tun? Sag es mir, da du älter und erfahren bist. Der Bruder antwortet: "Ich kann verstehen, wie es dir geht, aber frag dich selbst, nicht mich. Du bist kein kleines Kind mehr, versuche es allein." Es bleibt dahingestellt, ob der Bruder ihn damit im Stich lässt, oder ihm zur Selbständigkeit verhilft. Der Zuhörer kann es auslegen, wie er will, und vielleicht daraus sein eigenes Innere erkennen.
Erwachen (Ps 57)
"Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." Gott spricht ein Wort: er nennt uns beim Namen und erlöst uns (Jes 43,3). Die Mutter ruft Samuel beim Namen, weckt ihn aus der Ohnmacht und bekehrt ihn damit von seiner Einsamkeit zurück zum Beisammensein. Gottes Wort wird in ihm zum Gebet. Der Psalm 57 dient ihm dabei als Hilfe, wird aber von den beschwichtigenden Gedanken unterbrochen, in Frage gestellt und als überfromm abgetan. Schließlich siegen die unruhigen Gedanken, die in Samuel seinen Hunger nach echter Freiheit aufdecken, seine Suche nach Wahrheit, seine Sehnsucht nach Gottes Gegenwart.
Barmherzigkeit
Samuel kehrt heim. Vater und Sohn singen jeder seine bisherige Melodie, die vorhin als Gegensätze erklangen, diesmal im Duett. Hier wird nicht melodische Gemeinsamkeit geschaffen, sondern entdeckt: sie war schon von Anfang an da, nur unbemerkt. Gottes Gegenwart muss nicht erst gesucht werden, nur bewusster erlebt.
Neid
Der Vater erkennt im älteren Sohn dieselbe Sucht nach dem goldenen
Kalb. Auch er will sein Erbteil für sich gesichert wissen. Vaters Antwort lautet
nicht einfach "teilen!", sondern "das Beisammensein teilen und dabei nicht auf
das Geld schauen". Es gelingt ihm, den Sohn zu überzeugen und ihn zum
gemeinsamen Festmahl mitzunehmen, wodurch das goldene Kalb endgültig zum
geschlachteten Mastkalb für alle wird. Andeutungs-weise erklingen zum Schluss
das Oster-hal-le-luja und "Großer Gott, wir loben dich", doch noch einmal holt
uns der bekehrende und zugleich erlösende Ruf "Samuel!" auf den Boden der
Realität zurück.